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 Betreff des Beitrags: altes Flachsrad-Schätzchen und Unwuchten
BeitragVerfasst: Do 1. Jan 2009, 20:49 
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Navajo-Spindel
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Registriert: So 21. Dez 2008, 23:54
Beiträge: 462
Wohnort: im Taunus
Ein glückliches neues Jahr Euch Lieben!

Seit kurz vor Weihnachten steht bei mir ein altes, ganz graziles Flachsrad (vermute ich mal, bei den vielen Häkchen am Flügel und dem gefühlt überlangen Wocken), das ich per 1,--Kauf ergattert hatte.
Auf den ersten Blick wirkte die kleine "Prinzessin" (Einzugsloch in gerademal 40cm Höhe) für ihre über hundert Jahre noch ganz proper, nach der Akklimatisierung und dem Wachsen (Bienenwachs-Walnussöl-Mischung, eigenes erprobtes Rezept ;) ) arbeitete sich auch das alte Holz wieder ein und "Hermine" wackelte nicht mehr.
Sie zieht recht hurtig ein und läuft - einmal angekurbelt - fast von selbst und ohne große Reibungsverluste.
Bild Bild

Allerdings stellten sich jetzt die Macken heraus, die bei so alten Stücken gefürchtet sind: Das Antriebsrad ist unwuchtig und schlägt, die Spule sitzt schräg (nicht wie üblich Antriebsriemen und Spule im Winkel von 90°, hier sind es eher 100°) und der Riemen fluppt vom Rad, sobald etwas Zug auf dem Flügel ist.

Die hintere Halterung für die Schwungradachse ist offenbar durch den langen Gebrauch ausgeschlagen, da half schon etwas Unterfüttern mit einem lose eingelegten 5mm-Holzstift, damit sie wieder waagerecht läuft.
Schwungrad und Flügel-/Spulen-Einheit laufen aber noch immer nicht auf einer Linie und die Spule läuft schief.
Daher vermute ich jetzt mal die Ursache am Antriebsrad. Wir haben uns das Stück etwas genauer angeguckt und festgestellt, dass drei von den sechs gedrechselten Speichen sich verdrehen lassen und Nabe und Felge in der Vertikalen versetzt sind. Ca. um so viel, wie das Rad "neben der Spur" läuft.
Bild

Hat jemand Tips, wie das zu beheben ist?
Die meisten Verbindungen sind gezapft und verkeilt oder Stiftverbindungen, lassen sich also notfalls lösen, bis auf die Stellen, wo sich schon ein "Restaurator" mit Ponal (*grusel*) zu schaffen gemacht hat. Die Würmer, die die Löcher hinterlassen haben, sind mausetot. Kann es sein, dass auch er alte Holzwurmbefall was mit der Unwucht zu tun hat? Falls ja, wie kann man das ausgleichen?
Wir - mein Gefährte und ich - haben beide etwas Geschick in der Holzbearbeitung, können notfalls auch Kleinkram nachdrechseln und grübeln jetzt, wie das Schwungrad wieder einzunorden ist, ohne etwas unwiderbringlich kaputtzumachen oder die wunderschöne Nussbaum-Optik zu zerstören.

Bin dankbar für Tips, Hinweise und eigene Erfahrungen! ;)

Herzliche Grüße
Kattugla

_________________
Zeit existiert nur, um zu verhindern, daß alles sofort geschieht.


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 Betreff des Beitrags: Re: altes Flachsrad-Schätzchen und Unwuchten
BeitragVerfasst: Do 1. Jan 2009, 23:02 
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Spinning-Jenny
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Registriert: Mo 7. Jul 2008, 01:10
Beiträge: 3098
Wohnort: Flensdorf
Zitat:
Schwungrad und Flügel-/Spulen-Einheit laufen aber noch immer nicht auf einer Linie

Dass die Rille des Schwungrades nicht mit den Rillen des Wirtels und der Spulscheibe fluchten, sieht man recht gut im dritten Bild (sofern das keine Verzerrung durch die Kamera ist).
Nun müsste man herausfinden, warum sie nicht fluchten?
Ist das Schwungrad schief und verzogen?
... oder steht es einfach falsch in den Lagern, so dass es zwar parallel zur Spulscheibe läuft ... aber halt nicht in Linie.
Leider lässt sich hier nur raten, was dabei die Ursache sein könnte.

Hast Du evtl. mal versucht die beiden Pfosten, die die Schwungradachse aufnehmen um 180° zu drehen?
So wie's ausschaut sind sie ja nur mit Holzmuttern gesichert ...
Ich würde mal ausprobieren den hinteren Pfosten umzudrehen, so dass der schiefe Schlitz zum Einlegen der Achse nach hinten ziegt. Da der Spinnradriemen ja richtung Flügel zieht, würde es ja mehr Sinn machen, wenn die Öffnung des Schlitzes vom Flügel wegzeigt, damit die Achse durch die Riemenspannung in den Schlitz gedrückt wird.

Wenn das Schwungrad in sich verzogen ist (also so in der Art wie ein 8er in der Fahrradfelge), dann ist der Fall ziemlich aussichtslos (zumindest für Hobby-Bastler), so sagt zumindest Karen Pauli in "Care and Feeding of Spinning Wheels" und ich hätte da auch keine Idee, wie man das bei einem Holzrad ändern könnte.

Hast Du das hintere Auflage der Spinnradachse schon genügend aufgefüttert, so dass das Schwungrad auch richtig senkrecht steht und die Achse horizontal verläuft? (ggf. mal mit einem Senkblei oder Wasserwaage versuchen zu überprüfen). Das könnte auch bewirken, dass das Schwungrad so schief sitzt, dass das obere Ende so weit von der Linie des Wirtels und der Spulscheibe entfernt sind ...

Ich könnte mir auch vorstellen, dass das Schwungrad keinen Achter hat, sondern sich die Speichen auf einer Seite gelockert haben und so die Spinnradachse nicht mehr im Zentrum "des Kreises" sitzt. Wobei das allerdings nicht erklären würde, warum die Rille nicht mehr mit den anderen fluchtet *grübel*

mhhhh .... hat das Schwungrad in den Lagern nach vorne und hinten Luft? Lässt es sich waagrecht (in Achsenrichtung) vor und zurückschieben und wird durch die Antriebsstange näher an das hintere Lager geschoben?
Dann könnte man evtl. Abhilfe schaffen, indem man eine oder mehrere Distanzscheiben auf die Schwungradachse zwischen Schwungrad und hinterem Lager setzt (z.B. 1-2 geschlitzte Lederscheiben aus dickem Sohlenleder (natürlich gut fetten!)

Wie sehen denn die Verleimungen/Verbindungen der Segmente des Schwungrades aus?
Sind da auch lockere Verbindungen? Wenn Du schon schreibst, dass einzelne Speichen locker sind ...
Vielleicht ließe sich das Problem beheben, indem man der Schwungrad und die Speichen neu verleimt -> mittelst eines Spannriemens um das Schwungrad oder mit Hilfe einer "Spanischen Winde" (=Drehknüppel).

Zitat:
und die Spule läuft schief.

mhhh ... was läuft da schief?
Eiert die Spulscheibe? Ist sie lose, könnte man diese Verbindung wieder neu ausrichten und neu verleimen.
Ist sie verzogen, kann man nicht viel tun ...
Schleift bzw. klemmt dadurch die Spule im Spinnflügel und lässt sich nicht mehr frei und ohne Widerstand bewegen?

Es ist schwierig so aus der Ferne das Problem zu identifizieren, da man das Rad nicht in der Bewegung beobachten kann. Am besten hat man dafür jemanden, der das Schwungrad langsam und vorsichtig mit der Hand dreht und man selbst peilt von allen Seiten über das Rad peilt ggf. mit entsprechenden genau senkrechten oder waagrechten Markierungsobjekten zum Vergleich daneben.

Leider sind Schwungräder oft kaum reparierbar verzogen, so dass sie nun einen Achter bilden. Das geschieht meist dadurch, dass das Rad zur Deko mit einem gespannten Riemen aufgestellt wird. Das belastet das Schwungrad extrem einseitig und verursacht gerne, dass sich das Holz verzieht und/oder die Verbindungen sich lockern.
Verzogenes, d.h. krumm gewordenes Holz, wieder gerade zu richten, ist eigentlich nicht wirklich ... oder nur unter unvertretbarem Aufwand ... machbar.

Deshalb ist ja so wichtig, bei einem Gebraucht-Spinnradkauf eine Schnur mitzunehmen und das Rad mit einem Antriebsriemen auszuprobieren, um zu beobachten, ob sich das Rad und das Schwungrad noch einwandfrei bewegt...

_________________

Meine Seiten: www.spinntantchen.de und www.nadelbindung.de



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 Betreff des Beitrags: Re: altes Flachsrad-Schätzchen und Unwuchten
BeitragVerfasst: Fr 2. Jan 2009, 17:02 
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Navajo-Spindel

Registriert: Fr 29. Aug 2008, 15:59
Beiträge: 385
Wohnort: Niedersachsen
Ein wunderschönes französisches (Elsaß/ Lothringen) oder rheinisches Spinnrad!
Zitat:
"Restaurator" mit Ponal

Erschießen, sofort!

Im letzten Foto sieht man ja, daß das Schwungrad nicht mittig im waagerechten Rahmen sitzt. Wenn nicht die gesamte Nabe auf der Achse nicht und her rutscht (davon hast Du ja nichts geschrieben, muß da etwas ersthaft verquer sein.
Meist ist der Radkranz aus 4 Stücken gefertigt, die gegebeneinanander verzapft sind. Wenn man die Stifte herausschlagen könnte, würde man an die Speichen kommen. m.E. müßte man das gesamte Schwungrad auseinandernehmen und neu zusammensetzen. Aber ob es klappt?
Könte man nicht so eine Art Tennisschläger-Streckding bauen und das Schwungrad darin einklemmen und jeden Tag ein bischen fester anziehen, bis es wieder ganz glatt steht (ich kann mich jetzt schwer ausdrücken). Bei alten Fachwerkhäusern macht man das auch so, jeden Tag ein kleines Stück in die richtige Richtung drücken. Gggf. müßte man am Ende doch leimen (aber nicht mit Ponal), damit es nicht wieder zurückfällt in den falschen Zustand.

Sigrid

_________________
Geschichte und Bedeutung des Spinnrads in Europa, gebunde Ausgabe, Shaker-Media-Verlag
http://www.spinnrad.jimdo.com


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 Betreff des Beitrags: Re: altes Flachsrad-Schätzchen und Unwuchten
BeitragVerfasst: Fr 2. Jan 2009, 19:04 
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Navajo-Spindel
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Registriert: So 21. Dez 2008, 23:54
Beiträge: 462
Wohnort: im Taunus
Neues von Hermine:

jupp, aus dem Elsass ist sie wohl, wie mir der vorherige Eigentümer versicherte. Er hatte sie dort vor 25 Jahren von einem Antiquitätenhändler gekauft.
Die Felge vom Schwungrad besteht aus 2 Teilen - einem größeren und einem kleineren Kreisbogen. Die Speichen sind von innen eingesetzt und von der Felgenseite her mit Holzstiften verankert.

Dann mal von vorn nach hinten: dass der Einlegeschlitz für die Schwungradachse in die verkehrte Richtung zeigte, hatte ich auch schon bald mitbekommen und den hinteren Pfosten kurzerhand umgedreht. Was aber nichts am Problem änderte.
Hier nochmal das, was ich mit "schief sitzender Spule" meinte:
Bild

Und hier die Acht im Schwungrad - die so besehen irgendwie gar nicht sooo schlimm aussieht:
Bild

Die Schwungradachse hatte zwischen den beiden Lagern in der Tat Spiel, so ca. 8mm, ich hatte erst getestet, obs was ändert, wenn da ein Distanzring hinten dazwischen sitzt, und es änderte in der Tat etwas.
Ergo bemühte ich heute die Drechselbank, und jetzt sitzt da ein Fliederholzring.
Bild

Als ich mir das Foto von der schiefen Spule etwas genauer anguckte, fiel mich jedoch noch etwas auf: die Spule schien schiefer zu sitzen als der Flügel. Und klapperte höllisch. Nebenbei scheint sie nicht original zu sein, sie ist aus anderem Holz und zudem viel grobschlächtiger gearbeitet als der Rest von Hermine.
Ich besah sie mir etwas genauer und - aha! - die Längsbohrung ist nicht nur überdimensioniert, sondern auch noch konisch.
Innendurchmesser vorn 8mm und hinten, am Spulenrad sogar 11mm. Und das bei einer 5mm-Spindel. Hieß: jeder Zug durch den Antriebsriemen zog die Spule schief.
Für das vordere Stück reichte (steinigt mich! Ich schwöre, das Stück Plastik verschwindet, wenn mir was Intelligenteres eingefallen ist...) ein abgeschnittener 8mm-Spreizdübel, für das hintere Stück gabs ein Inlay aus Fliederholz mit einer 5,5mm-Bohrung, das dank des konischen Innendurchmessers proppenfest sitzt.
Bild

Jetzt sind Spule/ Wirtel und Antriebsrad fast wieder in der Flucht, das was noch fehlt, geht auf Kosten der beiden Klammern, die sich an den waagerechten Streben festhalten und mittlerweile etwas Spiel haben. Sie sitzen nicht mehr ganz rechtwinklig und lassen Hermine beim Arbeiten wenig, aber locker in der Hüfte schwingen.
Bild

Das Schwungrad eiert noch immer, allerdings weniger als vorher.
Ich habe ja die Hoffnung, dass sich das beim Betrieb noch gibt, Hermine stand jahrelang mit schief hängendem Schwungrad in einer f**ztrockenen Neubauwohnung, nach dem Einlassen quillt das Holz jetzt noch etwas.
Allerdings hatte ich auch schon über eine Lösung mit Knochenleim (denn kannmer notfalls wieder lösen) und Spannriemen/ Knebel - und viiiiel Zeit - nachgedacht.

Zunächst einmal bin ich zufrieden, dass sie wieder läuft wie geschmiert, der Rest wird sich zeigen.
Die Speichen behalte ich mal im Auge.
Das, was noch übrig ist, sind die beiden Lederstreifen, die den Flügel halten, sie sind schon knochenhart und krümelig, da gibts bald Ersatz.
Ich hoffe, Hermine nimmts mir nicht übel, wenn ich sie in der Zwischenzeit anstelle von Flachs mit Gotlandwolle konfrontiere... ;)

**************

[edit] @Arachne: da habe ich mir also vor einer Woche Dein Buch bestellt... die Welt ist klein... :oops: ;) :D

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Zeit existiert nur, um zu verhindern, daß alles sofort geschieht.


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 Betreff des Beitrags: Re: altes Flachsrad-Schätzchen und Unwuchten
BeitragVerfasst: Sa 3. Jan 2009, 16:23 
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Navajo-Spindel

Registriert: Fr 29. Aug 2008, 15:59
Beiträge: 385
Wohnort: Niedersachsen
Toll, daß Du's wieder hingekriegt hast, Kattugla. Ein bischen Eiern hat noch nie geschadet. Und die Lederteile sind halt Verschleißteile, das war schon immer so. Dübelenden nehme ich auch :oops:

Das mit dem Buch freut mich natürlich sehr!


Sigrid

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Geschichte und Bedeutung des Spinnrads in Europa, gebunde Ausgabe, Shaker-Media-Verlag
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