Noch mal zurück zur Schermaschine: Eine gute kostet um die 1000 Euro und braucht ständige (!) Wartung. Also auch Ölen unterm Scheren. Ganz zu schweigen von Messerpflege, Messerschleifen, Wahl des richtigen Messers für den richtigen Einsatzzweck... Dazu noch einen mit der Wasserwaage ausgerichteten Arbeitsplatz und die richtige Technik - dann sind die 500 Schafe mit zwei Scherern an einem Tag zu schaffen. Wobei der Umgang damit absolut richtig gelernt werden muss, sonst ist die Verletzunggefahr für Mensch und Tier riesengross.
Aber muss es denn so schnell gehen? Und wie viele Besitzer haben denn die 500 Schafe? Ich hab' ungelernt und ganz gemütlich zwei Schafe in drei Tagen geschoren (sprich, jeweils 'ne halbe Stunde geschnippelt, bis es mir und den Schafen gereicht hat). Ein H. Moreland hat angeblich (Kevin Ford: Shearing Day) in Wyoming 1894 mit Handschere 356 Schafe in 10 Stunden geschoren und Phil Walsh am gleichen Tag 322. Da war's allerdings nicht so heiss wie in Afghanistan...
Investieren würde ich, wenn ich Geld ausgeben wollte und sie in Afghanistan kein geeignetes Werkzeug haben (wie kriegen sie denn die Haare von den Ziegen runter?) in gute, scharfe Handscheren - und die würde ich eher in England/Australien/Neuseeland suchen als im deutschen Landhandel (Burgon & Ball ist 'ne gute Marke).
Ausserdem: Wie viele Schafe werden denn monatlich/wöchentlich/täglich gegessen? Werden die Felle alle im Ganzen gegerbt oder verrotten sie irgendwo? In letzterem Fall kann man die Wolle ja relativ einfach runterschneiden - machen sie in den Anden auch... Oder eine Gerberei einrichten und die Felle im Ganzen verkaufen - dürfte sogar rentabler sein als ein Wollgeschäft.
Wie soll weiter verarbeitet werden? Traditionelles Wolle waschen im grossen Stil braucht riesige Mengen Wasser (ist das nicht eher Mangelware in Afghanistan?) das dabei verschmutzt wird. Das Problem lässt sich irgendwie umgehen - die Navajos leben ja auch in der Wüste und weben trotzdem Teppiche - muss aber überlegt werden.
Dann die Frage nach der Wollqualität: Ich vermute jetzt mal (mangels Erfahrung mit afghanischen Schafen) dass die Wolle wahrscheinlich so ähnlich ist wie die unserer Bergschafe, also relativ weiche Unterwolle und grobe, lange Grannenhaare. Für letztere ist das Einsatzgebiet sehr begrenzt ((Wand-)Teppiche, Taschen), wenn man die Unterwolle alleine verarbeiten will hat man das Problem, auch noch das letzte Grannenhaar rauszukriegen. Die Wolle muss jedenfalls entweder gekämmt oder kardiert werden, was arbeitsaufwändiger ist als das Spinnen selbst (glaube ich - gestoppt habe ich noch nicht). Es wäre zu überlegen, ob man nicht eher in eine grosse, professionelle Kardiermaschine investieren sollte (die wäre natürlich stationär. Die Leute müssten in der sesshaften Periode die Wolle fürs ganze Jahr kardieren. Hmm, und diese kardierte Wolle dann transportieren. Und sicherstellen, dass die Kardiermaschine noch da ist, wenn sie zurückkommen...)
Aber die Grundüberlegung ist doch: Wie kann man mit Wollproduktion seine Einkommenssituation verbessern? Wo ist die Nachfrage nach afghanischer Schafwolle? Wie und in welcher Form soll die Produktion vermarktet werden? Kardierte Wolle für Handspinner (schau, dass du afghanische Schafe in Deb Robson's neues Buch kriegst - das sollte Nachfrage erzeugen), Stränge für Stricker, Endprodukte - welche? Wo ist das "gewisse Extra" der afghanischen Wolle? Oder soll die Wolle an afghanische Teppichhersteller gehen für Teppiche 100% made in Afghanistan? Wollen die Nomaden da preismässig mit den jetzigen Bezugsquellen mithalten?
Und was wollen die Nomaden selbst?
Was die "besseren" Spindeln angeht: Für die dortigen Spinner die Spindeln, die sie haben und gewöhnt sind und vor Ort kriegen. Für dich, damit du bei deinem Besuch mitreden und vergleichen kannst, würde ich die von Woolly Designs empfehlen (so um die 30 g). Das sind erstklassig laufende Spindeln (absolut so gut wie die von z. B. Tom Golding, kosten aber lange nicht so viel), mit einem "getunten" Haken, der auch's Runterfallen übersteht. Optisch machen sie nicht so viel her, aber ich sehe es eher als Vorteil an, wenn die Spindel nicht als offensichtlicher Wertgegenstand Neid erregt (im Gegensatz zu einer halbedelsteinbesetzten Golding, z. B.).
Und dann macht ein Wettspinnen und schaut, wer in der gleichen Zeit mehr Wolle produziert kriegt. Wenn du bei gleicher Qualität schneller bist, und die Frauen gerne Woolly Designs Spindeln hätten, dann rentiert sich eine Grossbestellung
, und das ist dann gut angelegtes Geld (das wiederum einem kleinen Landwirt und Handwerker zu Gute kommt...)
Ciao, Klara