im alten Forum geschrieben am 04.01.2007 - 10:15
Also ich finde das Buch absolut Klasse! Gut, Hentschel schreibt, als ob er eine Schulklasse anreden würde ("Wir setzen uns vor das Spinnrad, der rechte Fuss oder - wenn ihr wollt - auch beide Füsse ruhen auf dem Tritt des Rades.") - aber meine Schulbücher (aus den Siebzigern) waren wesentlich trockener. Einen Satz wie "Das hat mich schwer geärgert, denn man blamiert sich ja nicht gern, noch dazu als Mann vor einer Dame" (zu seinem ersten Versuch am Spinnrad) hätte man da nicht drin gefunden.
Ich kann auch kaum glauben, dass das wirklich der unveränderte Nachdruck der Ausgabe von 1949 ist: Es gibt Fotoserien zum Karden und Flachs-Wocken-Binden (das Kapitel zum Flachs fällt allerdings sehr knapp aus - das Buch heisst ja auch "Wolle spinnen"), und der Text ist teilweise überraschend "modern": "Wieder einmal ... sehen wir, wie die Natur mit weiser Hand mischt... Und dann kommt der Mensch mit plumpen Händen und reisst das natürliche Gefüge auseinander, er bildet sich obendrein noch ein, Ordnung zu schaffen und schafft dabei bestenfalls ein organisiertes Chaos. So ist es auf vielen Gebieten, man denke nur einmal an die Landschaftsgestaltung und die Forstwirtschaft."
Der vielleicht einzige Satz, der wirklich veraltet ist, lautet: "Wir werden heute selbstverständlich nicht Olivenöl oder Ernussöl zum Schmälzen von Wolle benutzen, ganz abgesehen davon, dass wir sie noch nicht einmal zur menschlichen Ernährung bekommen."
Hentschel hat anscheinend überwiegend mit doppelfädigen Spinnrädern gesponnen, erwähnt aber auch am Anfang das Einfädige mit Flügelbremse. Ich vermute mal, dass einfädige Räder mit Spulenbremse damals in Deutschland nicht bekannt waren. Aber da Hentschel in Sachen Wolle vor dem Krieg gereist ist, hat er auf der Hebrideninsel (Schottland!) Harris ein Rad mit Spulenbremse (Scotch brake!) gesehen. Und er beschreibt, wie man sie nachträglich auf einem doppelfädiges Ziegenrad installieren kann.
Das muss ich erst noch ausprobieren, genauso wie seine sehr ausführliche Anleitung zum Kardiern (Wolle kratzen).
Ich freue mich jedenfalls unheimlich, das Buch ergattert zu haben und finde, die Firma Traub könnte es ruhig wieder auflegen!
Viel Glück bei der Suche!