Ich machte mal bissige Bemerkungen zur französischen Spindel, daß sie besonders unrentabel benutzt wird. Inzwischen habe ich einige Erkenntnisse über sie gewonnen und habe sie rehabilitiert. Auf vielen französischen Videos wird sie tatsächlich nicht optimal genutzt, obwohl sie technisch gesehen mehr leisten kann. Sie besitzt jede Menge technischer Raffinessen. Der Grund für die scheinbare mühselige Bedienungsweise ist, daß die Spindel erst im Zusammenhang mit einen Wocken effektiv genutzt werden kann. Auf vielen französischen alten Postkarten sieht man die Frauen mit einen Wocken, wo sie Schafwolle angebunden haben. Die meisten Spinner(innen) denken oft, daß der Gebrauch eines Wockens eher mit der Faserart zu tun hat. Leinenfasern werden gewöhnlicherweise auf den Wocken befestigt, Schafwollfasern dagegen haben soetwas nicht nötig oder doch? Wenn man die französische (auch die griechische) Spindel ohne Wocken benutzt, dann muß man zuerst einen Drall im Faden erzeugen, dann ausziehen, eventuell Drall nochmals nachliefern. Da man mit zwei Händen arbeitet, muß man den langen Auszug machen. In der einen Hand hat man das Faserbüschel und in der anderen Hand die Spindel. Es ist fast unmöglich, währendessen die Spindel zu drehen und gleichzeitig auszuziehen. Da wird oft der Drall so stark, daß man nicht mehr ausziehen kann, bzw. es rutschen bei zuwenig Drall zu viele Fasern heraus. Bei gleichzeitigen Ausziehen und Drall geben produziert man unweigerlich heftige schwangere Regenwürmer. Also geht alles seriell hintereinander für einen ordentlichen gleichmäßigen Faden. Ist der Faden dann lang genug, so verdrillt er sich sehr leicht von selbst, weswegen man ihn mit der einen Hand etwas mit den Fingern aufwickelt, um ihn beim Aufwickeln auf der Spindel straff zu halten, andernfalls verheddert sich der Faden oder noch schlimmer - er verheddert sich mit den Fasern des Faserbüschels. So sind also vier Aktionen hintereinander auszuführen: Drall geben durch drehen der Spindel, ausziehen, Faden straffen durch Aufwickeln an den Fingern der Faserhand, Aufwickeln des Fadens auf die Spindel. Benutzt man jedoch einen Wocken, so hat man eine dritte zusätzliche Hand. Hier geht es nicht um die Faserart. Mit der ehemaligen Faserhand kann man jetzt einen kurzen Auszug vom Wocken machen und gleichzeitig dreht man die Spindel. So bekommt man leicht einen gleichmäßigen Faden hin. Obendrein vereint man das Ausziehen und das Drall geben zu einen Arbeitsschritt. Ist der Faden lang genug, dann greift man ihn mittig und streckt ihn seitwärts vom Wocken weg. Dabei erspart man sich das Aufwickeln des Fadens um die Finger, um den Faden zu straffen. Man braucht nur noch den Faden auf die Spindel wickeln. Durch den Wocken wird sozusagen die Spinngeschwindigkeit verdreifacht. Da die französische Spindel wenig Schwungmasse besitzt, kann man sie schneller drehen. Schwung braucht sie nicht zu haben, da man sie schnell und kontinuierlich mit den Fingern drehen kann. In gewisser Weise hat man dann eine Situation wie am Spinnrad, wo auch kontinuierlich Drall gegeben wird während man auch auszieht. Das Besondere bei der französischen Spindel ist ein spiralförmiger Nut am Ende des Schaftes. Wird diese Nut zum Schaftende tiefer, so tief, daß er die Schaftmitte erreicht, dann schlingt sich der Faden in der Nut so fest an den Schaft, ähnlich einer Schlinge, die sich zuzieht, so daß der Faden bombenfest sich einhakt. Falls man sich eine solche Spindel einmal baut, muß man darauf achten, daß diese Nut tiefer wird und am Schaftende die Stabmitte erreicht. Allerdings ist dieser Teil auch die Archillesferse der Spindel, weswegen einige französischen Spindeln einen ebenso geformte Nut aus Metall haben, teilweise ist diese Teil aufsetzbar. Man die französische Spindel noch schneller drehen, wenn sie kurz unterhalb der Finger frei hängt, was bei den Hakenmechanismus sehr gut funktioniert. Diese Bedienungsweise scheint sich aber bei den französischen Frauen noch nicht so herumgesprochen zu haben, sowie auch in den anderen Mittelmeerländern, wo solche Spindeln existieren, obwohl die Spindel dazu Bestens ausgerüstet ist. Das tun nur wenige Spinner(innen). Inzwischen ist die französische Spindel eine meiner Lieblingsspindeln geworden, da ich durch die kontinuierliche schnelle Drehung sogar Tellerspindeln (Fallspindeln) übertreffe. Tellerspindeln drehen sich zwar auch kontinuierlich, aber sie werden nicht kontinuierlich angetrieben, so daß sie mit zunehmenden Drall im Faden langsamer werden. Durch ihren größeren Schwung brauche ich auch mehr Kraft, um sie schnell anzudrehen.
In den serbischen Filmlink, den ich in einen früheren Kommentar angegeben habe, ist eine Frau zu sehen, die eine Spindel französischen Typus benutzt. Sie dreht ihn kontinuierlich unter Benutzung einen Wockens. Allerdings benutzt eine Frau auch für das Spinnrad einen Wocken, wobei sie Schafwolle verspinnt. Offenbar verhindert man hierdurch, daß die Fasern in den bereits gesponnenen Faden gelangen und sich dort verheddern. Ob hier das Spinnen mit Wocken am Spinnrad erleichtert wird, kann ich mangels eines Spinnrades nicht beurteilen.
Gruß Wolfgang
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